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Transkript zum komm.passion-Podcast: komm.entar Folge 01: Team(s)gefühl

Jelena Mirkovic: Die Plakate auf den Hygiene-Demos sind eindeutig. Verschwörungsmythen im Bereich des Impfens bewegen sich auf einem neuen Hoch. Wir sprechen heute über Impfgegner. Mein Gast dazu ist Dr. Klaus Schlüter, Medizinischer Direktor bei MSD in München. Herzlich Willkommen bei komm.entar.

Klaus Schlüter: Ganz herzlichen Dank und Herzlich Willkommen auch von meiner Seite.

Jelena Mirkovic: Mein Name ist Jelena Mirkovic und ich bin Managing Partner bei komm.passion. Klaus und ich wir kennen uns schon sehr lange und gemeinsam haben wir bereits viele Jahre mit ziemlich viel Herzblut den Kampf gegen impfpräventable Erkrankungen bestritten. Wir wissen, das ist ein ziemlich komplexes Thema und wir werden versuchen jetzt nur einen kurzen Impuls zu geben. Drei Thesen in jeweils drei Minuten. Kommen wir zu unserer ersten These.

These 1: Verschwörungstheoretiker und Impfgegner kann beziehungsweise muss man nicht ernst nehmen.

Klaus Schlüter: Ich glaube, dass das eine sehr gefährliche These ist und ich würde gerade das Gegenteil als wichtige These sehen. Verschwörungsgegner und -theoretiker und Impfgegner muss man sehr ernst nehmen. Gerade in unserer Zeit erleben wir, wie Gerüchte plötzlich zu Wahrheiten werden, wie Gerüchte Menschen mobilisieren und zu falschen Entscheidungen und Schlüssen führen. Deswegen ist es wichtig, dass wir Impfgegner und Verschwörungstheoretiker ernst nehmen und das deutlich lauter werden im Grundrauschen in der letzten Zeit nicht überhören.

Jelena Mirkovic: Hast du denn das Gefühl, dass es lauter geworden ist? Also, dass das Grundrauschen zugenommen hat?

Klaus Schlüter: Ich glaube ja. Wenn man sich die Demonstrationen in Berlin anschaut, wenn man die allgemeine Stimmung sich im Augenblick anschaut, dann ist das Thema zumindest der Verschwörungstheoretiker, nicht unbedingt der Impfgegner, ist das lauter geworden. Aber es gibt auch verlässliche Zahlen die zeigen, dass auch die Impfskeptiker zu mindestens zugenommen haben, da kommen wir sicherlich nachher noch ein bisschen drauf. Aber ich halte das für sehr gefährlich und deswegen müssen wir solchen Impfgegnern und Verschwörungstheoretikern sehr frühzeitig etwas entgegensetzen.

Jelena Mirkovic: Würdest du auch sagen das spielt jetzt eine wichtige Rolle auch im Hinblick auf den ersten Corona-Impfstoff?

Klaus Schlüter: Auf jeden Fall. Wenn die Zahlen, die ich gelesen habe, die etwas schwanken, wenn die Stimmen, das ist um die 60% nur der Menschen sagen sie würden sich gegen das Sars-CoV-2 Virus impfen lassen, dann zeigt das, dass eben Skeptiker und Impfgegner durchaus um sich gegriffen haben. Und gerade wenn man sich anschaut wie bedrohlich diese Erkrankung ist, welche schweren Folgen sie haben kann und wie wichtig es ist einen Herdenschutz aufzubauen, dann ist diese Zahl sehr bedenklich und das ist sicherlich auch das Ergebnis von um sich greifenden Verschwörungstheorien und Impfskepsis.

Jelena Mirkovic: Macht dir das denn auch Sorgen, diese Vermischung von Verschwörungstheorien und Impfgegnerschaft?

Klaus Schlüter: Ja, ich glaube das die Verschwörungstheoretiker sich noch nicht mal auf Impfgegner, sondern auf Impfskeptiker setzen und die letztendlich durch ihre Theorien manipulieren und in eine Richtung führen, die zu einer noch größer werdenden Skepsis und Impfmüdigkeit führen wird und damit letztendlich das, was dem Impfen aus meiner Sicht ganz besonders wichtig ist, nämlich diese soziale Verantwortung, die ich habe wenn ich mich impfen lasse, um andere zu schützen, die damit aus dem Gesichtspunkt rückt und nur noch an individuelle Vorteile oder Nachteile gedacht wird.

Jelena Mirkovic: Das heißt Impfen ist nicht nur eine individuelle Entscheidung, es hat auch diese gesamtgesellschaftliche Komponente und das heißt, dass wir das als eine Gesellschaft auch schauen müssen, dass wir eine gute Durchimpfungsrate hinbekommen. Da wäre ich doch schon direkt bei meiner nächsten Frage oder beziehungsweise These. Und zwar geht es da wirklich um die Hardcore-Gegner.

These 2: Mit der Aluhut-Fraktion braucht man nicht diskutieren.

Klaus Schlüter: Auch das halte ich für falsch. Es gibt Menschen die die Gerüchte oder die Theorien verbreitet haben, ich gebe gleich ein Beispiel dafür, die sich dann lange Jahre gehalten haben und die dazu geführt haben, dass Menschen sich nicht vor impfpräventablen Erkrankungen geschützt haben. Der eine oder andere mag sich erinnern, dass es eine angebliche Publikation gegeben hat über den Zusammenhang der Masernimpfung und Autismus. Das war eine erfundene, keineswegs wissenschaftlich basierte Publikation. Die sehr hochrangig, und mittlerweile hat sich das Journal auch dafür entschuldigt, publiziert wurde, die dazu geführt hat, dass diese Diskussion, obwohl es mittlerweile widerlegt ist dass diese These stimmt, dass die immer noch auch von hochrangigen Politikern, die sich Präsident der Vereinigten Staaten nennen, immer noch wieder ins Spiel gebracht wird. Das zeigt, wie wichtig es ist, dass man solchen falschen Aussagen wirklich entgegentritt. Und wir haben genügend wissenschaftliche Evidenz, um zu belegen welchen Nutzen Impfungen haben und dass sie nicht schaden, sondern tatsächlich nutzen.

Klaus Schlüter: Es ist natürlich die Frage, ob man an evidenzbasierte Medizin glaubt. Wenn man das nicht tut, dann kann man alles in Frage stellen aber wir haben einfach Fakten und Belege, die auch wissenschaftlich publiziert sind, weltweit anerkannt sind, die ganz klar Falschaussagen, Verschwörungstheorien von Impfgegnern widerlegen und deswegen aus meiner Sicht gibt es genügend, haben wir genügend Argumente in der Hand um solche falschen Theorien und Falschaussagen tatsächlich zu widerlegen.

Jelena Mirkovic: Tatsächlich ist das aber wirklich tricky, weil wie wir auch immer wieder merken, dass wir mit unseren Fakten ja nicht durchdringen. Du hast es schon gesagt, wir haben natürlich wirklich ein elementares Problem, wenn man nicht an Evidenz glaubt. Dann bewegen wir uns ja nur im emotionalen Raum und was man selbst individuell glaubt aber trotzdem ist es so, dass eine Motivation dahintersteckt, warum man das jetzt in dem Moment glaubt. Wie können wir an die Menschen heran die, sagen wir mal mit Fakten, sich nicht so leicht überzeugen lassen?

Klaus Schlüter: Ich glaube da hilft es nur Vertrauen zu schaffen. Es gibt sehr sehr gute Untersuchungen, die eben zeigen, dadurch dass man Vorbeispiele gibt, dadurch dass man vorlebt, dadurch dass man diese Fakten, die wirklich für das Impfen sprechen auch wirklich aufbereitet, sodass es leicht verständlich ist, dass man damit Vertrauen schaffen kann. Und dann Menschen die verunsichert sind tatsächlich dazu bringen kann sich sinnvollerweise impfen zu lassen. Ich rede nicht der Tatsache das Wort, dass man alles über einen Kamm scheren kann und muss, sondern, dass wir individuell Menschen dabei unterstützen müssen ihre individuelle Entscheidung für das Impfen tatsächlich zu finden. Aber eine individuelle Entscheidung, die auch in der Verantwortung für die Gemeinschaft steht und deswegen eine andere Dimension darstellt als die Einnahme einer Tablette gegen eine Bagatellerkrankung zum Beispiel.

Jelena Mirkovic: Und an dieser Stelle aber dann direkt die Perspektive, du jetzt aus Perspektive des Pharmaunternehmens: ist das deine Rolle dem entgegenzutreten? Wessen Rolle ist das?

Klaus Schlüter: Ich glaube, dass das eine Rolle ist oder eine Aufgabe ist, die wir alle als Gesamtgesellschaft haben. Wir als Pharmaunternehmen können dazu beitragen, aber wir sollten nicht alleine sein. Es ist eine Aufgabe unserer Gesellschaft, es fängt bei jedem einzelnen an. Das fängt in meinem Privatleben an und das geht hin bis zur hohen Politik, so früh wie möglich gegen Gerüchte, die von Impfgegnern in die Welt gesetzt werden, gegen Unwahrheiten, die von Impfgegnern behauptet werden, dass wir dagegen vorgehen müssen und zwar jeder einzelne in seinem Privatbereich. Das ist keine Aufgabe, die wir nur Politikern oder Behörden überlassen dürfen, sondern die wir jeder selbst letztendlich wahrnehmen müssen. Und wenn es die Familie ist, die darüber nachdenkt, ob das Kleinkind geimpft werden soll oder statt sechs-fach nur noch fünf-fach geimpft werden soll, genau an diesen Punkten geht es darum dann zu seiner Überzeugung zu stehen und die auch zu äußern. Weil es kann unbequem sein aber es ist letztendlich zum Nutzen des Einzelnen aber auch unserer Gesellschaft, wenn wir Menschen davon überzeugen, dass sie sich impfen lassen.

Jelena Mirkovic: Das ist ja noch der leichte Fall, wenn jemand überlegt, fünf-fach oder sechs-fach, der wirklich deutlich schwierigere Fall ist, wo Familien und Freundeskreise ja manchmal bis hin zu gespalten werden. Wo man komplett konträre Ansichten hat. Da dann vielleicht auch nochmal als klares Verhalten, dass man nicht aufgibt in dem Moment, sondern Versucht je früher desto besser zu intervenieren und wirklich emphatisch zu sein und sich auch in den anderen hineinzuversetzen und mit dem auf Augenhöhe zu diskutieren und Fragen zu stellen und nicht versuchen nur ausschließlich mit Schlagabtausch, Fakten zu überzeugen und es dann im schlimmsten Fall sogar eskalieren zu lassen. Aber es ist eine harte Aufgabe.

Klaus Schlüter: Für mich ist das eine Frage von Zivilcourage. Ich glaube, dass das ein Stückweit wichtig ist, dass wir das gerade in der heutigen Zeit haben. Dass wir zu unseren Überzeugungen, die häufig die Mehrheit der Bevölkerung haben aber keiner spricht es aus, dass wir dazu stehen und die auch vertreten. Also es ist eine Frage von Zivilcourage und selber ein gutes Beispiel geben. Ich glaube, dass das auch wichtig ist. Ich kann nicht nur darüber reden, dass man sich impfen lassen sollte, sondern ich muss es dann auch selber tun. Und wenn wir so weit kommen, dass wir das schon schaffen, dann hätten wir sicherlich auch schon an vielen Stellen eine Erhöhung der Impfquoten, die wir dringend in vielen Indikationen brauchen, erreicht.

Jelena Mirkovic: Das stimmt.

These 3: Wir brauchen eine Impfpflicht.

Klaus Schlüter: Das ist eine These, der ich, und das mag vielleicht manchen überraschen, der ich sehr widerspreche.

Klaus Schlüter: Ich glaube, dass wir aufsuchende Impfangebote brauchen, dass wir den Menschen das Impfen nahebringen müssen, in ihre tägliche Arbeits-, Schul-, Lebenswelt hinein. Aber, dass wir mit Pflichten eher das Risiko haben, das Gegenteil von dem was wir erreichen wollen, zu erreichen. Darum bin ich ein Anhänger von aufsuchenden Impfangeboten, niederschwelligem Impfen, sei es in der Schule, sei es im Betrieb, sei es bei jedem Arztbesuch der dazu genutzt werden kann tatsächliche Impfungen zu empfehlen und durchzuführen.

Jelena Mirkovic: Das heißt tatsächlich du setzt aufs freiwillige Impfen.

Klaus Schlüter: Ich setzte aufs freiwillige Impfen, weil wenn man sich anguckt, wir haben in Deutschland ja die „Masernimpfpflicht“ eingeführt, indem wir Kindern die nicht geimpft sind den Zugang zu Kindertagesstätte-Einrichtungen und Kindereinrichtungen verwehren. Dieses ist aus meiner Sicht vielleicht, mag sein wir wissen das noch nicht, das ist noch nicht belegt, potentiell damit verbunden, dass wir bei den Masern eine Steigerung der Impfraten haben. Ich sehe allerdings auch ein Risiko, dass wir bei anderen Impfungen dann tatsächlich einen negativen Effekt bekommen. Das wissen wir noch nicht. Aus Ländern wo Impfpflicht eingeführt ist, soweit wir jedenfalls da empirische Ergebnisse haben, lässt sich nicht schließen, dass die Impfpflicht tatsächlich eine Verbesserung der Gesamtsituation, was den Schutz der Bevölkerung vor impfpräventablen Erkrankungen angeht erreicht werden kann.

Jelena Mirkovic: Das ist ja spannend aber das zeigt auch, dass ja das es Wasser auf die Mühlen der Impfgegen und Verschwörungstheoretiker, die im Prinzip jetzt auch mit der Impfpflicht die ganze Zeit drohen und das als ein Szenario ganz nach vorne nehmen auch auf ihre Plakate.

Klaus Schlüter: Wenn man mich als Arzt fragt und ich Patienten, die eine Komplikation einer impfpräventablen Erkrankung, seien es Masern oder seien es andere Erkrankungen erleiden, vor Augen habe dann sage ich natürlich das hätte man verhindern können und dazu müsste man die Menschen verpflichten. Aber wenn ich den gesamten Kontext im Blick habe und dafür sorge, dass das Impfen an sich und der Schutz, die Prävention vor schweren Infektionserkranken als gesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe wahrgenommen wird dann glaube ich, dass wir mehr erreichen damit, dass wir die Angebote verbessern, die Aufklärung verbessern, Vertrauen schaffen und nicht von Pflichten und Verboten reden.

Jelena Mirkovic: Da haben wir noch eine ganz schöne Aufgabe, würde ich sagen, an dieser Front zu kämpfen. Jetzt habe ich noch eine bitte an dich, und zwar könntest du in drei Sätzen sagen, was liegt dir persönlich am Allermeisten am Herzen bei diesem Thema.

Klaus Schlüter: Ich glaube Prävention ist immer besser als Behandlung von Erkrankungen und darum ist das für mich das beste ärztliche Handeln was möglich ist, Krankheiten zu verhindern. Der zweite Satz ist, Impfen ist eine gesellschaftliche Aufgabe, weil wir damit Menschen, die schwächer sind als wir vom Gesundheitszustand, schützen können. Und der dritte Satz ist, dass wir mit Impfungen aus meiner Sicht eine Perspektive haben auch Erkrankungen, von denen wir uns heute noch nicht vorstellen können, dass wir die verhindern können, tatsächlich, dass wir die damit verhindern können.

Jelena Mirkovic: Dir ganz herzlichen Dank und wir werden versuchen, dich so gut wir es können zu unterstützen bei dieser gesellschaftlichen Aufgabe.

Klaus Schlüter: Sehr gerne, herzlichen Dank.

Jelena Mirkovic: Das war die erste Folge unseres neuen Podcasts, danke Ihnen fürs zuhören. Wir hoffen, Sie konnten den ein oder anderen Denkanstoß für ihre Kommunikation mitnehmen und auch für Ihr persönliches Verhalten zum Thema Impfung. Bis zum nächsten Mal.

Über diesen Podcast

Zeiten großer Veränderungen, ständiger Wandel und maximale Komplexität stellen Kommunikatoren vor immer größere Herausforderungen – die es immer schneller zu meistern gilt. In unserem komm.passion-Podcast komm.entar finden wir wichtige Antworten auf die Fragen: Was bewegt die Kommunikatoren aktuell? Welche kommunikativen Herausforderungen gibt es? Und wie reagieren Kommunikationsabteilungen und Agenturen darauf? Von Wissenschafts- über HealthCare- bis hin zur Change-Kommunikation. Denkanstöße, die Kommunikatoren voranbringen.

von und mit komm.passion

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