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Transkript zum komm.passion-Podcast: komm.entar Folge 04: Krisenkommunikation der Bundesregierung zur Corona-Pandemie

Patrick Hacker: Und dieser Podcast heute hat einen ganz besonderen Aufhänger: Vor ein paar Tagen hat uns ein Journalist angerufen und uns zur Krisenkommunikation der Bundesregierung im Corona-Kontext befragt, genauer hat er Alexander Güttler befragt und da haben wir gesagt: Das Thema ist so spannend, da machen wir einen Podcast draus.

Alexander Güttler: Ja, dann fang doch direkt mal an Patrick. Die erste Frage war nämlich: Was macht denn generell gute Krisenkommunikation aus?

Patrick Hacker: Gute Krisenkommunikation hat eigentlich immer damit zu tun, dass es um Vertrauen geht, um Glaubwürdigkeit geht und das Vertrauen der Öffentlichkeit auch zu behalten.

Alexander Güttler: Ich würde noch was ergänzen, etwas, das in der Praxis, finde ich, eine ganz zentrale Rolle spielt und weniger in den Büchern steht. Es geht doch eigentlich immer darum, dass wir es in einer echt ernsten Krise schaffen, Vertrauen für Unsicherheit hinzubekommen. Wir haben ja ganz selten etwas, das wir als Lösung sofort anbieten können. Und im Grunde genommen, die ganze Kommunikation arbeitet daran, eben keine Versprechungen zu machen, und den Leuten die Unsicherheit erträglich zu machen. Ich glaube, die Unsicherheit erträglich machen, ist das zentrale Momentum, das in Kommunikation stecken muss. Und das will natürlich kleiner hören, das ist mir auch klar.

Patrick Hacker: Wenn wir von Krisenkommunikation für Unternehmen reden, dann geht es in der Regel um den Versuch, die kommunikative Hoheit zu haben oder zumindest möglichst viel Einfluss in die Berichterstattung mit den eigenen Botschaften durchzudringen und ein entscheidender Teil des Konzerts zu sein. Da tut sich natürlich eine Demokratie einfach in der Natur der Sache deutlich schwerer. Da ist das Konzert deutlich vielstimmiger.

Alexander Güttler: Pluralismus finde ich großartig und das Konzert darf vielstimmig sein. Ich halte es auch für kompletten Unsinn, wenn es heißt, die sollen mit einer Stimme reden. Nein, das sollen sie nicht! Ich bin heilfroh, dass wir in Deutschland leben und in einer pluralistischen Demokratie. Was aber wichtig ist, ist dass man sich vor zu vielen Versprechungen enthält. Das ist wieder das mit „Unsicherheit erträglich machen“.

Du darfst einfach Sachen nicht versprechen, egal ob du Vorstand oder Minister bist, von denen du relativ sicher annehmen kannst, dass du sie nicht halten kannst oder die ganz unsicher sind. Sag den Leuten doch lieber: „Ich weiß es noch nicht – das und das ist neu, wir werden das und das recherchieren“. Gib ihnen doch mehr Insights in den Prozess! Und vielleicht werden auch wir Deutschen uns daran gewöhnen, dass es eben keine Lösung gibt und auch keine Zwischenlösung und dass wir damit lernen müssen: Unsicherheit ist ertragbar. Nur diese Versprechungen, die die Politik, finde ich, jetzt teils sehr unglücklich macht, die zerstören natürlich immens das geforderte Vertrauen.

Patrick Hacker: Da gibt es ja zwei Dinge, die mir besonders aufgefallen sind. Das eine ist das Thema: „Wann steht genügend Impfstoff für alle zur Verfügung“ und da ist ja so eine kleine Nuance drin, einmal „bis zum Sommer kann ich jedem ein Impfangebot machen“ oder „bis zum Ende des Sommers“. Ich glaube sowas wird von den Menschen durchaus wahrgenommen. Und das erzeugt dann diesen Moment „Das stimmt nicht.“

Man ist nicht konsistent in den Aussagen und das führt zum Bruch von Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Und natürlich auch, was schwierig ist, bei aller Unsicherheit und zugeben von Unsicherheit, wenn man zu sehr mäandert. Nimm doch einfach zwei Ministerpräsidenten, die dafür ganz offensichtlich sind: Da ist das Thema Bayern, mit jemanden, der sehr klare Kante zeigt und sich vielleicht manchmal da sogar verrennt oder gar Antipathie ihm entgegenschlägt, weil er eigentlich zu hart ist oder hart genug, das mäandert. Und auf der anderen Seite jemanden, der sehr, sehr stark zwischen „Wir müssen sehr viel öffnen“ und „Wir müssen einen ganz harten Lockdown machen“ aus Nordrhein-Westfalen.

Man ist nicht konsistent in den Aussagen und das führt zum Bruch von Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Und natürlich auch, was schwierig ist, bei aller Unsicherheit und zugeben von Unsicherheit, wenn man zu sehr mäandert. Nimm doch einfach zwei Ministerpräsidenten, die dafür ganz offensichtlich sind: Ich finde das sind zwei Gegenpole, die dann auch sehr unterschiedlich wahrgenommen werden.

Alexander Güttler: Absolut, Kommunikation mal pur betrachtet, ohne die Güte der Lösung dahinter, - das muss man sagen – hat Söder bisher einen sehr guten Job gemacht. Und ganz ehrlich und mich selber relativierend: Ich finde auch Angela Merkel hat durchaus ihre Rolle bisher recht gut ausgefüllt, egal, ob man sie jetzt wählt oder nicht. Sie ist auf jeden Fall in der Lage Vertrauen zu schaffen und agiert nie vorschnell. Ich persönlich finde es schwierig, auch wenn ich sonst die Politik durchaus nachvollziehbar finde, wenn Herr Spahn immer wieder versucht, sehr frühzeitig Lösungsansätze in den Diskurs zu bringen und die dann wieder verändern muss. Ich glaube, dass er da auch deutlich Punkte verloren hat.

Aber in toto, mal eine ganz böse These gewagt, lieber Patrick: Was wir jetzt haben, ist weniger Kommunikationsversagen in der Krise, sondern wir haben ein ganz simples Management-Versagen. Das, was es der Europäischen Union gebracht hat, sehr spät zu bestellen, aus welchen Gründen auch immer, sei es „der vielfältige Abstimmungsprozess war zu lang“, whatever, ist erklärbar, aber zerstört natürlich in der Bevölkerung sehr, sehr viel Vertrauen. In meinen Augen sogar mehr als der Brexit. Denn wir haben hier kollektiv versagt und alle draußen können sagen „Siehste, so viel ist die EU wert.“ Das ist sehr, sehr schade und insofern, wir müssen glaube ich trennen: Denn Kommunikation kann Management-Versagen nicht ausbügeln, maximal besser erklären.

Patrick Hacker: Und nicht jede Kommunikation in einer Krise, wie dieser Corona-Krise, ist gleich Krisenkommunikation. Sondern da ist ganz viel Regelkommunikation. Ich hätte das deutlich besser vorbereiten können, eine Impfkampagne. Ich hätte deutlich besser erklären können – von Anfang an. Auch, wie Du sagst, die Unsicherheit erklären. Das ist für mich noch keine Krisenkommunikation, sondern viel Regelkommunikation zu einem krisenhaften Thema. Auch das wird häufig mal in einen Pott geworfen. Und die Kommunikation, da bin ich bei dir, einfach auch dann mal vorgeschützt für ein Versagen oder Nicht-erledigen der Hausaufgaben auf anderer Seite.

Alexander Güttler: Wir müssen ja immer noch sehen, wenn man auf das Grundsätzliche abschließend gehen darf, dass wir heute Impfstoffe haben, ist sensationell gut. Das ist ganz, ganz großartig. Ich bin da bei Müntefering, wir sollten 2021 zum Jahr der Impfung machen. Mein Vater geht auf die 90 zu und wird in wenigen Tagen geimpft. Große Klasse. Und das ist eine Chance, dass wir tatsächlich aus dieser Pandemie herauskommen. Dass das jetzt sehr kritisch gesehen wird, ist teilweise dann und da schließt sich dann der Kreis wieder: Das Thema zu vorschnell behandelt, nicht die Imponderabilien deutlich gemacht und die Menschen verstehen doch, wenn jetzt zum Teil mit einem Faktor 100 Impfstoffe produziert werden, dass da auch mal was schief gehen kann, wenn Zulieferer auf einmal Quantitäten liefern sollen, die sie ihren ganzen Lebtag noch nicht gemacht haben.

Alexander Güttler: Ich denke, wir müssen uns daran gewöhnen, dass man in einer ganz normalen Gesellschaft – eben auch in der unseren – mal über all die Dinge, die eben nicht klappen, redet. Und ich glaube, wenn man transparenter, klarer, ehrlicher und schneller an die Themen herangeht, dann kann man auch damit rechnen, dass die Lösungen in der Praxis besser werden. Es macht aber eben gar keinen Sinn, zwischen Versprechungen und Korrektur hin und her zu schwenken.

Patrick Hacker: Und da schließt sich ja der Kreis, zudem was wir anfangs sagten, denn es geht am Ende schon viel um Vertrauen, es geht um Glaubwürdigkeit, wie erhalte ich die, wie bekomme ich den Zuspruch in der Bevölkerung? Da ist das Thema Konsistenz ganz wichtig, da ist das Thema eben drin: Keine Kausalitäten groß reinbringen. Auch klar sagen, wo man noch nicht Bescheid weiß. Und sich auch mal trauen zu sagen: „Wir haben heute andere Erkenntnisse und ändern unsere Richtung aufgrund der neuen Erkenntnisse um 180 Grad“, auch das muss drin sein.

Alexander Güttler: Ich würde mich ja sehr freuen, wenn ich das abschließend sagen darf, wenn es uns gelingt aus dieser „Aufregungs-Demokratie“ ein Stückchen auf den Boden der Tatsachen zu bekommen. Das mag Social Media getriggert sein, dass wir uns oft über das Gerücht aufregen und ich glaube, wir müssen da mal ganz deutlich wieder durchatmen, runterkommen, sehen, wir sind auf einen super Kurs, wenn wir jetzt impfen. Wir sind etwas langsamer als gedacht, das ist schade. Beim nächsten Mal hat die EU hoffentlich etwas daraus gelernt und sie wird Kommunikationsbedarf haben. Insgesamt denke ich: Weniger Aufregung, mehr Gradlinigkeit, weniger Versprechen.

Über diesen Podcast

Zeiten großer Veränderungen, ständiger Wandel und maximale Komplexität stellen Kommunikatoren vor immer größere Herausforderungen – die es immer schneller zu meistern gilt. In unserem komm.passion-Podcast komm.entar finden wir wichtige Antworten auf die Fragen: Was bewegt die Kommunikatoren aktuell? Welche kommunikativen Herausforderungen gibt es? Und wie reagieren Kommunikationsabteilungen und Agenturen darauf? Von Wissenschafts- über HealthCare- bis hin zur Change-Kommunikation. Denkanstöße, die Kommunikatoren voranbringen.

von und mit komm.passion

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