Transkript zum komm.passion-Podcast: komm.entar Folge 06: Brimborium ums Storytelling
Andreas Nehls: Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe von komm.entar, dem komm.passion-Podcast. Ich bin Andreas Nehls, Director für digitale Kommunikation bei komm.passion und mit mir in diesem virtuellen Raum sitzt Ole Puls. Ole, stell dich kurz vor.
Ole Puls: Das mache ich sehr gerne. Ole Puls, so viel wisst ihr schon. Seines Zeichens um nicht zu sagen meines Zeichens Executive Creative Director bei komm.passion
Andreas Nehls: Und du hast ein Thema mitgebracht, über das du seit Tagen mit mir schon sprechen willst. Was hast du dabei?
Ole Puls: Ja, es kratzt an meiner Seele hätte ich fast gesagt. Es geht um das digitale Storytelling, um nicht zu sagen die permanente Neuerfindung des digitalen Storytellings bei der ich mich frage, was wird da eigentlich permanent neu erfunden? Und was soll dieses Gerede über „so war‘s noch nie“, „jetzt ganz anders“ und „nur wir können das eigentlich“? Diese Menge an Bullshit-Bingo, die geht mir irgendwie auf den Zeiger und ich dachte, mir du bist genau der Richtige, dem ich mein Seelen-Unheil klagen kann.
Andreas Nehls: Also du denkst bei Bullshit-Bingo erst an mich, das ehrt mich.
Ole Puls: Ja, da siehst du mal, so gut kennen wir uns schon.
Andreas Nehls: Ja, das weiß ich nicht, ob das von Vorteil ist für uns beide. Aber egal. Also zurück zu deinem Punkt: Du sagst unsere Branche hat ein Problem mit Bullshit-Bingo, weil wir alten Wein aus neuen Schläuchen verkaufen und am Ende des Tages nicht die Frage ist: Muss eine gute Geschichte jetzt nur digital sein oder nur nicht digital sein? Was braucht’s denn am Ende des Tages?
Ole Puls: Was braucht’s denn am Ende des Tages, genau. Und ich glaube, dass sich daran nicht viel getan hat. Nur, dass das eben keine nennenswerte Geschichte mehr ist, aber vielleicht ist es umso mehr an der Zeit, das mal wieder aufs Tableau zu bringen. Es braucht einen guten Kern, es braucht eine gute Kernidee. Das klingt so einfach wie einfältig. Vielleicht ist aber im Zweifelsfall genau das, was vielen Kampagnen heutzutage fehlt bzw. das, was eben nicht den Nachrichten-Wert hat, weil es mittlerweile selbstverständlich ist, dass eine gute Idee einen Kern braucht. Das ist gar nicht so leicht wie es sich anhört, weil da muss man manchmal eine Menge Erde beiseite schaufeln, damit der Zutage kommt.
Andreas Nehls: Dann zwei Fragen dazu: Warum haben wir dann scheinbar mit zunehmender Digitalisierung von Kommunikation verlernt, einen Kern sauber herauszuarbeiten?
Und gleich mal hinterher: Bietet Digitalisierung am Ende des Tages nicht auch gerade für eine gute Geschichte viel mehr Möglichkeiten als früher? Also früher war ich gefangen im 30-Sekünder, heute habe ich doch viel mehr Möglichkeiten, meine Geschichte zu tranchieren, meinen Kern zu tranchieren, um am Ende zu sagen: „Ich mach’s in 6 Sekunden für Youtube-Bumper als auch für einen long-read in einer Zeitung“. Also die Möglichkeit gibt es ja auch. Hat das nicht auch Vorteile am Ende?
Ole Puls: Klassiker: Jetzt war die zweite Frage so lang, dass ich die erste vergessen hab. Aber zur zweiten direkt…
Andreas Nehls: Die erste Frage kann ich dir gerne wiederholen: Warum haben wir es scheinbar mit zunehmender Digitalisierung verlernt, den Kern sauber rauszuarbeiten?
Ole Puls: Ja, im Zweifelsfall, weil wir uns in den Möglichkeiten verlieren und – um dann direkt auf die zweite Frage zu kommen – diese Möglichkeiten sind grandios. Denn ein Kern ist ja erst dann ein relevanter Kern, wenn man es schafft, ihn durch die verschiedenen Kanäle zu tragen und das nicht einfach stringent im Sinne von der guten alten adaptierten Anzeige für Instagram oder dem Banner das der Anzeige entspricht. Nein, nein so funktioniert‘s natürlich nicht – das ist mir auch völlig klar. Umso mehr sind für mich und für uns Kreative diese neuen Möglichkeiten ein absoluter Segen. Aber – und dann sind wir wieder bei der ersten Frage – vielleicht haben wir mitunter verlernt, dass diese Spielfelder durchaus so zu benutzen sind, dass sie einen ähnlichen, wenn nicht sogar den gleichen Kern, die gleiche Wahrheit eines Produktes, einer Marke erzielen und nicht davon abweichen.
Andreas Nehls: Was bedeutet das denn dann ausgehend von deinem Kern oder von deinem Anruf, warum du hier angerufen hast. Bedeutet das am Ende des Tages, dass viele damit schlichtweg einfach nicht mit den Möglichkeiten umgehen können? Also ist es handwerklich schlecht gemacht?
Ole Puls: Soweit würde ich gar nicht gehen. Mein Punkt ist ja eher der, immer wieder zu behaupten, wir müssen das Rad neu erfinden - das ist einfach nicht wahr. Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, wir müssen die neuen Räder, die da kommen, sinnvoll nutzen und zwar im Sinne des alten Rades und das dreht sich halt einfach mal perfekt. Und genau so ist der Kern einer Kampagne ein guter Kern, wenn man denn den richtigen gefunden hat. Und dann gilt es die Spielfelderweise zu nutzen. Aber dieses ständige Getröte nach „wir haben da hier wieder was neu erfunden“, nur weil es auf einmal Tiktok gibt – that‘s not true.
Andreas Nehls: Ja, da gebe ich dir zu vielen Teilen recht. Ich bin hier angestellt, um Spielverderber zu sein: Jetzt ist es ja auch so, dass Leute wie du, ich sag jetzt mal ganz despektierlich. die aus der Klassik kommen …
Ole Puls: Das böse Klassikwort.
Andreas Nehls: Das böse Klassikwort.
Ole Puls: Die Bratsche unter den Kreativen.
Andreas Nehls: Du bist hier halt auch nur die Geige.
Ole Puls: Aber zumindest die erste.
Andreas Nehls: Ja, immerhin. Es ist ja auch so, dass so das Digitale oder die Digitalisierung von Kommunikation, die ganzen digitalen Umfelder am Ende des Tages ja eines ganz offenbar darlegen: Nämlich, dass ein guter kreativer Kern, so wie man sich den früher immer vorgestellt hat und sich vielleicht auch hergeleitet und verdichtet hat, dass viele davon schlichtweg einfach nicht funktionieren und dann es offenbar wurde, dass das, was handwerklich immer so hochgejazzt wurde, die Daten am Ende des Tages sagen, „Ja, scheiße, funktioniert halt nicht. Müssen wir anders machen.“ Also was ist denn damit am Ende des Tages? Digitales Storytelling ist ja am Ende, wäre jetzt meine Gegenthese, nicht eigentlich sogar das bessere Storytelling, weil es viel valider und transparenter ist als die „Ich habe jetzt 20 Jahre Erfahrung, so muss man‘s machen“-Nummer.
Ole Puls: Absolut. Ne, ich denke, der Punkt ist, dass am Anfang der Fehler gemacht worden ist, dass – was ich gerade eben schon meinte – einfach zu adaptieren. Und Kreation einfach auf Kanäle zu adaptieren, hat noch nie funktioniert oder zumindest funktioniert es jetzt in der Fülle der Kanäle und der verschiedenen Spielwiesen, die wir da haben, nicht mehr. Das heißt, die Gradwanderung ist genau das Entscheidende an der Stelle. Den Kern nicht verlieren, aber die Spielfläche entsprechend betreten. Sagen wir mal die Klassik, die böse Klassik Print ist das Fußballfeld. Dann haben wir jetzt auf einmal ganz viele neue Spielfelder mit Hockey, Tennis, Badminton und was weiß ich nicht was. Und ich kann natürlich mit dem Fußball auf Tennisplatz gehen, habe dann aber nicht so viel Spaß. Und würde die Zuschauer irritieren. Die Zuschauer, sprich die Zielgruppe, sind genau die, was wir erreichen wollen. Und die wollen eben Tennis sehen, wenn sie am Tenniscourt sind. Das ist mir übrigens gerade spontan eingefallen, ich möchte Szenenapplaus.
Andreas Nehls: Faden wir dann jetzt so ein bisschen aus und versuchen wir mal die ganze Geschichte ein bisschen rund zu kriegen. Was würdest du dir denn am Ende des Tages wünschen? Also wenn du sagst, wir brauchen weniger Bullshit und mehr Kern. Aber dank Digitalisierung, dank Daten, dank dem, was wir über Zielgruppen wissen und wie wir es analysieren können und wegleiten können. Was würdest du dir denn dann wünschen für die Zukunft oder was hast du dir denn auf deinen Zettel geschrieben damit es besser wird?
Ole Puls: Ja, das ist eine gute Frage. Das ist vielleicht das Grundproblem. Es gibt nicht den einen expliziten Wunsch. Außer, dass wir aufhören so wahnsinnig viel Brimborium über Dinge machen, über die man nicht zwingend viel Brimborium machen muss. Jetzt kann man natürlich behaupten: „Moment mal, du arbeitest in der Kommunikationsbranche und wunderst dich, dass wir Brimborium um Dinge machen, um die man nicht zwingend Brimborium machen muss“. Ja, ich bin so ambivalent. Und dieses zu behaupten, man hätte immer wieder den neuen Stein der Weisen gefunden, das ist glaub ich das, was mich einfach stört und nervt. Ich bin ein kompletter Fan der neuen Medien, der Möglichkeiten dieser neuen Medien. Ich bin aber eben – um mal wieder zum bösen Klassiker zurück zu kommen – totaler Fan der Wahrheit des Produktes, der Wahrheit der Marke. Die zu finden, zu entschlüsseln und interessant zu verpacken. Und das Storytelling und jetzt das digitale Storytelling sagt mir, und das ist toll, du hast unfassbar viele Möglichkeiten, diese Geschichte, diesen Markenkern, diesen Produktkern zu erzählen. Aber: Bleib bei der Wahrheit, die du als Kern definiert hast. Das ist – und, das merk ich während ich es sage – nicht spannend und im Zweifelsfall nicht die super Neuigkeit: Es ist aber das „wie“ unser Business am besten und am richtigsten auch im Sinne für diejenigen, für die wir’s da draußen erzählen, das, was es ausmachen sollte. Und ich glaube, es ist einfach dieses Störgefühl im Sinne von „Hey, wir haben da schon wieder das Rad neu erfunden“ und jetzt fang ich an mich zu wiederholen. Das ist einfach das, was mich total abfuckt. Ich glaube, ansonsten sind wir ganz eng beieinander Andi und ich freu mich auf all das, was jetzt möglich ist. Ich wünschte mir ein wenig mehr Bohei darum. Entschuldigung, ein bisschen weniger Bohei darum.
Andreas Nehls: Ich hatte mir so gewünscht, dass du am Ende noch einmal das Wort Brimborium sagen würdest. Sag‘s einmal für mich.
Ole Puls: Brim borium. Der Vor- und Zuname.