Transkript zum komm.passion-Podcast: komm.entar Folge 7: Agiles Arbeiten Clubhouse
Transkript zum komm.passion-Podcast: Am 11. Februar haben wir unseren allerersten Clubhouse-Talk gestartet und sind dort mit verschiedenen Experten zum Thema des "agilen Arbeitens" ins Gespräch gekommen. Für uns und alle Gäste war von vornherein klar, dass wir das Gespräch aufzeichnen, um aus den verschiedensten Meinungen auch im Nachhinein zu profitieren und vielleicht zum einen oder anderen interessanten Punkt zurückspulen zu können.
Transkript zum komm.passion-Podcast: Und jetzt geht es auch direkt los mit dem ersten „best of“ zum Thema „Was macht agiles Arbeiten mit der Unternehmenskultur?“
Transkript zum komm.passion-Podcast: Moderiert wurde die Folge von Patrick Hacker, Director bei komm.passion.
Transkript zum komm.passion-Podcast: Mitdiskutiert haben
Transkript zum komm.passion-Podcast: Ralf Schön von der Unternehmensberatung Schoen + Company
Transkript zum komm.passion-Podcast: Michael Müller von Denkhorizonte
Transkript zum komm.passion-Podcast: Philip Müller, Headhunter und Personalberater von PRCC
Transkript zum komm.passion-Podcast: Prof. Dr. Alexander Güttler, Inhaber und CEO von komm.passion
Transkript zum komm.passion-Podcast: Tobias Bruse, Senior Consultant bei komm.passion
Patrick Hacker: Ralf Schön von der Unternehmensberatung Schoen + Company, was hast du mit dem Thema Agilität zu tun?
Ralf Schön: Ich als Unternehmensberater sehe halt in vielen Unternehmen zahlreiche Probleme, denen man versucht zu begegnen mit verschiedensten Ansätzen. Dazu zählen eben auch Management-Ansätze und in den letzten Jahren ist halt das Thema "agile” sehr stark aufgekommen. Ich sehe es in vielen Fällen sehr positiv angewendet aber auch ein großes Unverständnis, was sich eigentlich dahinter genau verbirgt.
Patrick Hacker: Was verbirgt sich denn aus deiner Sicht dahinter?
Ralf Schön: Ein Ansatz, mit dem auch größere Unternehmen relativ schnell reagieren können. Ich würde mal sagen neben dem Thema Umsetzungsgeschwindigkeit ist auch das Thema Kommunikation spielt eine große Rolle. Ich will mal eine Analogie zu den Ameisen, meinen Lieblingstieren, führen. Und zwar ist ganz interessant: Ameisen könnte man ja auch als Unternehmen bezeichnen. Sie bauen ein riesiges Nest und pflanzen sich fort und ernähren sich. Müssen also ähnlich wie Unternehmen auch gewisse Aktivitäten durchführen. Und das interessante bei Ameisen ist, dass eigentlich alle Ameisen, fast alle Ameisen, genetisch gleich sind, sie es trotzdem schaffen ab einer gewissen Gruppengröße, nämlich ab sechs Ameisen, eine Spezialisierung hinzubekommen. Das heißt: Obwohl die Ameisen alle gleich sind, das wär auch mal interessant für das Management, ist es so, dass sie selbst erkannt haben, dass ab sechs Stück eine Spezialisierung stattfinden muss, um beispielsweise Aufgaben wie auf die Jagd zu gehen, Futtersuche oder den Eingang bewachen oder die Larven pflegen automatisch zu übernehmen. Und wenn man das jetzt mal aufs Unternehmen überträgt, rein gedanklich jetzt mal, ich weiß das ist weit hergeholt, dann ist ja auch die Frage: Wer ist eigentlich für was am besten geeignet und wer kann eigentlich in einem Team gemeinsam eine Aufgabe erledigen. Und wir haben das in Unternehmen gesehen, dass es dort starre Hierarchien gibt, wo jeder eine Aufgabe zugeordnet bekommt. So haben Unternehmen jetzt die letzten Jahrzehnte sich eigentlich gebildet und dargestellt. Und die Frage ist, ob man nicht dieses Prinzip der Hierarchien aufbrechen muss, um zu sagen: Wer kann eigentlich am besten vielleicht welche Aufgabe lösen und wie können sich Teams schnell zusammenfinden, um Aufgaben schneller und effektiver zu lösen.
Patrick Hacker: Dann kommen wir vielleicht schon zum Thema Menschen und Führungskräfte. Wie leicht/schwer fällt ihnen agiles arbeiten? Michael Müller von Denkhorizonte beschäftigt sich nämlich genau damit.
Michael Müller: Für manche ist das eigentlich sehr schön, denen kommt das sehr sehr entgegen, weil sie sowieso schon immer gerne kurzfristig arbeiten, Mitarbeiter gerne an der langen Leine führen, Unsicherheiten tendenziell eher als spannend wahrnehmen und damit auch die kleinen Schritte die vielleicht mit Agilität zu tun haben, wo man nicht genau weiß was beim nächsten Sprint, bei der nächsten Aktion herauskommt. Für andere ist es ein bisschen schwieriger. Für die ist vielleicht auch das Wort Kontrolle schon sehr in der eigenen DNA verankert und passt auch zur Persönlichkeitsstruktur und ist dadurch dann auch mit zahlreichen Gewohnheiten und dem Selbstverständnis verknüpft. Für die ist es ein bisschen schwieriger, weil hier klar ein Umlernen stattfinden muss. Gerade in traditionellen Unternehmen galt ja immer die implizite Annahme, dass Führung steuert und kontrolliert und da muss natürlich zum Teil eine Veränderung in den Köpfen, in den Bäuchen stattfinden. Und das gilt nicht nur für Kontrolle, sondern grundsätzlich für dieses Spannungsfeld Sicherheit/Freiheit. Das steckt ja in dem VUCA schon drin, die Unsicherheit, die in der Vorgehensweise auch dabei ist. Und wenn ich noch nicht genau weiß, was herauskommt, dann ist das für die einen halt was sehr ungewohntes und die Unsicherheit wird vielleicht sogar zur Angst und andere finden es halt sehr spannend und lieben den Sprung ins kalte Wasser.
Patrick Hacker: Diskutant Nr. 3 in dieser Runde: Philip Müller ist das was man Headhunter bezeichnet, Personalberater. Passen alle Menschen in diese agile Arbeitskultur, ist das was für Freaks? Ist das was für die große Masse? Wie stehst du zu dem Thema?
Philip Müller: Wenn wir jemanden suchen der schon erfahrener ist und der agil sein soll ist das aus mehreren Gründen für uns jetzt kein Selbstläufer. Weil, wie schon gerade gesagt wurde, sehr erfahrene Leute oftmals eben nicht sehr erfahren im Bereich new work und so weiter sind. Das gibt es durch aus auch, aber es ist jetzt nicht unbedingt so, dass man halt jahrelang Jahrzehnte lang so gearbeitet hat. Und wenn‘s um die gerade schon kurz erwähnte Trennung von fachlicher Führung und disziplinarischer geht: Viele verstehen nicht genau, warum das gut sein kann und viele wollen es auch nicht. Also ein Beispiel von einem Kunden, den wir betreuen: Da ist es halt so getrennt. Da gibt es dann auch Leute die kümmern sich um die 34 Leute aber eben halt fachlich und andere führen eine ähnliche Anzahl, oder die gleichen Leute, aber eher dann disziplinarisch. Und da geht es dann auch um das „Well-being“, auch wie ist man in diesem agilen Prozess, dieser agilen Struktur, wo ist man am besten aufgehoben was braucht man noch. Also das hat auch etwas mit Personalentwicklung zu tun, ist aber keine reine HR-Rolle. Das heißt, wenn wir Leute suchen, die reine HRler sind, dann kommen wir da auch nicht unbedingt zum Ziel. Wir suchen aber da jetzt auch keinen, der Scrum-Master ist, sondern eigentlich Menschen, die verschiedene Dinge vereinen. Und bei der fachlichen Führung ist es halt so, da geht es dann halt um Leiter Kommunikation, der halt hauptsächlich fachlich führt – oder eine Leiterin. Die Person wiederum muss sich damit abfinden, dass sie nicht alleine entscheiden kann, was Beförderungen angeht und solche Geschichten. Und da haben halt manche auch jetzt nicht unbedingt Lust drauf oder verstehen den Sinn nicht. Und wie helfen wir? Da kommt jetzt auch ein bisschen die Brücke zum Thema „Menschen die noch nicht ewig im Beruf sind“, indem wir dann teilweise auch Leute vorschlagen die das Potenzial und auch die Fähigkeiten haben, fachlich das auch hinzubekommen, die aber halt vom Mindset das gewohnt sind oder sich da reindenken können und die Skills auch mitbringen, da im agilen Kontext sich zu bewegen. Das ist durchaus sicherlich eine Chance für Menschen, die jetzt noch nicht jahrzehntelang im Beruf sind. Und das ist ja jetzt so ein bisschen wie „digital native“, also „agile native“, wenns sowas gibt – und eine Herausforderung teilweise für Menschen, die Dinge sehr gut können aber das halt noch nie so ausgiebig gemacht haben.
Patrick Hacker: Dann doch gleich mal in die direkte Sicht eines Entscheiders. Prof. Dr. Alexander Güttler ist Inhaber und CEO der Agentur komm.passion. Wie hast du das wahrgenommen? Aus deiner Rolle aber auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das agile Arbeiten, geht das stressfrei? Sind da besondere Typen gefragt?
Alexander Güttler: Die Antwort muss nein und ja lauten. Es geht nicht stressfrei, es ist ein enormer Stress, es kostet auch Leute und es sind tatsächlich besondere Typen gefragt. Ich bin auch leicht anderer Meinung als Michael und Philip und wir diskutieren ja auch häufig miteinander. Also mal ganz simpel: Wir haben vor sechs Jahren mit rund 80 Leuten einen Selbstversuch gemacht und haben die klassische Agentur-Struktur nahezu innerhalb von drei bis sechs Monaten komplett abgeschafft und an die Stelle sogenannte Project owner gesetzt, die wie Geschäftsführer für Projekte verantwortlich sind – inzwischen 30 bei uns und die haben alle einen Supervisor. Die agieren wie kleine eigene Unternehmen um einen Kern herum, der im Grunde ein Service Kern ist – das, was früher Geschäftsführung und Service-Abteilung sind, aber auch Controlling, HR und so weiter. Das ist eine sehr radikale Umkehr. Und es war eine Idee, die bei mir beim Duschen kam, weil ich es absolut ärgerlich fand, dass ich mich schon bei einer 80-Mann-Firma dauernd über Silos ärgern muss. Dann haben wir die Silos einfach mal komplett abgeschafft. Was passierte? Ich dachte der ganze Laden klatscht Begeisterung und rutscht auf den Knien.
Alexander Güttler: Stattdessen bekam ich etliche Kündigungen. Vielleicht auch ungeschickt eingeführt damals, war da recht ruppig, weil ich wollt es einfach nicht mehr haben, diese alte Art zu arbeiten. Und wir haben mit der Zeit gelernt, dass es fast jeder, den du fragst „willste Freiheit?“, der nimmt die Freiheit. Wenn du sagst, du kriegst aber als Kehrseite dieser Medaille eine haftbare Eigenverantwortung mit an die Brust geheftet, dann rennt ein Drittel schreiend weg. Das heißt also aus meiner Erfahrung -und Micha, das sind nicht nur die Älteren – das sind auch ganz viele jüngere. Ich glaube sogar ehrlicherweise, dass man die langsamer heranführen muss, weil denen einfach die Lebenserfahrung und das Selbstbewusstsein noch fehlt, natürlicherweise, weil sie noch nicht länger im Job sind. Dass man den Leuten überhaupt erstmal ein langsames heranführen an diese Eigenverantwortung schaffen muss aber dass einfach ganz viele das nicht wollen. A) die eine Hälfte will nicht Macht abgeben und will auch nicht Schulterklappen abgeben und die andere Hälfte hat Angst vor der Eigenverantwortung.
Patrick Hacker: Dann würde ich doch gleich den Ball einmal zu Tobias Bruse weitergeben: Tobi, wie hast du das erlebt? Aus der Mitarbeiter-Sicht?
Tobias Bruse: Wie ich das erlebt hab kann ich nur so halb sagen, weil ich genau in dem Zeitpunkt gekommen bin, den Alex gerade beschreiben hat. Nämlich vor ungefähr 6 1/2 Jahren oder so also da war dieser erste, die erste Schockwelle war quasi vorbei und für mich jetzt aus persönlicher und Mitarbeiter-Perspektive ist das System tatsächlich so ziemlich das beste gewesen, was passieren konnte. Aus dem einfachen Grund, dass wenn man eben eine bestimmte Mentalität und Einstellung mitbringt – und die Einstellung sollte beinhalten, grundsätzlich mal zu glauben, dass man verschiedene Sachen auch hinbekommt, auch wenn man sie vielleicht zum ersten Mal macht. Diejenigen die die Vorteile sehen, die können das halt auch für sich sehr sehr gut nutzbar machen und ich stelle das zumindest auch bei – ich gebe ein paar Kurse an der Hochschule und da stell ich auch bei Studenten fest, dass wenn man so ein bisschen das beschreibt, dann sind die Augen eigentlich erstmal relativ groß, weil das schon erstmal interessant ist zu beschreiben. Du kannst hier einsteigen und trotzdem direkt mega viel Verantwortung übernehmen, kannst hier deine eigenen Projekte managen etc. pp. Aber die Kehrseite wird einem halt dann bewusst, wenn man sozusagen losgelegt hat. Genau – und das ist so ein bisschen das Setting, was aber glaube ich sehr spannend ist auch für die Zukunft und auch für zukünftige Ausbildung quasi von jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Patrick Hacker: Jetzt gibt es ja verschiedene Modelle und Herangehensweisen an agiles arbeiten, Scrum, Kanban und co. Jetzt ist in der Agentur, ich weiß nicht ob Alex oder Tobias etwas sagen wollen dazu vielleicht, wir haben gesagt: Weder Scrum noch Kanban passt wirklich jetzt in dem Fall in die Welt der Kommunikation und ihr habt euch ein eigenes 3A Modell ausgedacht.
Alexander Güttler: Wir können natürlich und wir unterrichten, auch für Kunden machen wir die Seminare. Du kannst Scrum, Kanban, Design Thinking bei uns bis zum abwinken kaufen. Das sind aber alles nur einzelne Techniken – und in den Büchern wird unglaublich viel Schwachsinn an der Unternehmensrealität vorbei geschrieben. Weil Agilität heißt nicht, dass ich auf einmal einen demokratischen Unternehmensalltag habe. Agilität richtig eingesetzt wie wir es finden, ist enorm leistungssteigernd und führt schlicht zu mehr Spaß und zu mehr Geld. Und das hat den Effekt, dass du auch von vornherein Leitplanken brauchst und Prozessabläufe und dazu passende IT, damit es eben nicht falsch verstanden wird als liebevolle Diskussionsrunde. Sondern dass die Post leistungsmäßig halt richtig abgeht. Und dieses wird in Büchern oft komplett irreal beschrieben, dass eben so eine Art demokratische Wirklichkeit da entsteht. Dem ist nicht so. Die einzelnen Wa ben, die in solchen Systeme entstehen, sind hoch kompetitiv und sind sehr darauf bedacht, aus ihrem Kunden das eine Top-Produkt zu machen. Deshalb – wie gesagt – würde ich immer darauf aufpassen, dass sich die Leute eher nicht zu viel zerreißen. Und Scrum, Kanban usw. die sind alle, wenn man sie ein kleines bisschen umschreibt als Techniken wunderbar, um Vorgänge zu beschreiben, Prozesse zu beschreiben. Wir haben in unserer Adaption viel geklaut von der Idee des auch des Scrum Masters. Aber wir haben es eben auf die Praxis umgeschrieben und sehr viel mehr auch verknüpft mit teilweise – das darf man ja fast nicht laut sagen, aber das klappt betriebswirtschaftlich wunderbar – fast militärischen Prinzipien, innerhalb der jeweiligen Waben. Aber da kann es dann eben passieren, dass ich eine klare Order von einem Berater bekomme – und das mach ich dann auch.
Tobias Bruse: Und was wir vielleicht, um das noch fortzuführen Stichwort 3A Modell, was wir halt gesagt haben im 3A Modell ist: Wir haben bestimmte Strukturen und Rollen vorgesehen und eingesetzt und haben eben versucht aus der IT-Welt heraus etwas zu übersetzen das vor allem für Kommunikation, Marketing und Vertrieb einsetzbar und gangbar ist. Und entstanden ist so eine Art Gesamtmodell oder Gesamtprozess für Ablauforganisationen, teilweise auch für Aufbauorganisationen, mit bestimmten vorgegebenen Rollen.
Patrick Hacker: An Ralf die Frage: Wenn du das jetzt so hörst, wie nimmst du das war? Wie agil können denn Unternehmen tatsächlich werden am Ende des Tages? Was ist da deine Erfahrung aus der Praxis?
Ralf Schön: Also was ich beobachte ist: Die schnellen fressen die langsamen und nicht die großen die kleinen. Was ich damit sagen will ist: Wenn ein Unternehmen immer schneller wird durch eine gewisse Technik, auch eine Management Technik, ist das natürlich ein großer Vorteil. Jetzt die Frage: Wie schnell kann man da überhaupt noch werden oder welche Vorteile kann man daraus ziehen? Man muss ja häufig sehr schnell auf Markt-Veränderungen reagieren – und es ist natürlich völlig klar: Je schneller man das kann als Unternehmen, ob jetzt in Projekten oder auch auf Marktgeschehen, umso besser sehe ich das. Und je flacher die Hierarchien sind und je schneller man dann etwas umsetzen kann oder auch erarbeiten kann, desto größer ist der Vorteil.
Patrick Hacker: Was macht diese agile Umstellung mit der Unternehmenskultur? Also wenn wir jetzt die These im Raum stehen lassen – agil beschleunigt – geht das dann mit einer neuen oder veränderten Unternehmenskultur einher?
Tobias Bruse: Ja, muss es glaube ich am Ende, weil ich natürlich in einem gewissen Maße, wenn ich Verantwortung abgebe, muss ich natürlich auch in gewissem Maße Entscheidungshoheiten abgeben und muss ja auch damit klarkommen, dass andere Entscheidungen treffen, die ich vielleicht im vorherigen Konstrukt nicht ganz so getroffen hätte. Von daher ist das glaub ich ein riesiger Kulturwandel, der da an der Stelle mit stattfindet. Und was damit einhergeht ist dann auch eine andere Art auch von Fehlerkultur. Mit Sicherheit nicht in jedem Unternehmen aber wahrscheinlich in einigen. Weil wenn ich sage, ich versuche Verantwortung auf viele Schultern zu übertragen, vielleicht auch früh auf viele Schultern zu übertragen und Entscheidungshoheit auf viele Schultern zu übertragen, damit ich eben genau dem Rechnung tragen kann, was Ralf gerade sagte – in puncto Geschwindigkeit – dann kann es eben auch mal passieren, dass etwas schief geht. Und dann muss man eben sagen „shit happens“ und sich fragen, wie man es jetzt wieder geradebügelt und ausbügelt – und kann sich dann nicht vier Wochen damit beschäftigen, jetzt irgendwie denjenigen runter zu machen, der gerade den Fehler gemacht hat oder da in irgendeiner Form mit negativer Feedback-Kultur drauf einwirken, weil dann verhindere ich vielleicht sogar, dass wenn die nächste Entscheidung die getroffen werden soll, eben nicht mehr eigenständig getroffen wird – und das würde dann schlicht am Ende das System so ein bisschen konterkarieren.
Patrick Hacker: Wie bringt man denn die Organisation auch kommunikativ dahin? Ist das eher ein „hurra jetzt sind wir agil“, ist das ein „Vieles leben in kleinen Schritten?“
Tobias Bruse: Kommt glaub ich ganz drauf an, in welchem Stil man Veränderungen machen möchte. Alex hat es ja gerade erzählt: Radikaler Schnitt innerhalb von drei Monaten fürs ganze Unternehmen. Häufig, wenn wir involviert sind, sind's ja vor allem bei den größeren Konzernen eher Abteilungen, in denen das dann stattfindet. Und dann ist es sicherlich ein Prozess wie bei jeder Veränderung des Mitnehmens. Und was glaub ich hilft, ist von Anfang an nicht nur in An- und Abführung zu sagen, es verändert sich kaum etwas, sondern schon klar machen, dass sich deutlich Dinge im Ablauf verändern werden – also mit offenen Karten zu spielen.
Alexander Güttler: Jetzt mal aus einer Inhaber-Perspektive: Ich fühle mich seit Jahren befreit. Ich bin nicht mehr für alles verantwortlich – es hat eine unglaublich entlastende Funktion auch bei einem Mittelständler wie uns. Und das ist etwas, was ich also auch bei gehobenen Führungskräften denke, was ganz, ganz wichtig ist: Du schulterst nicht mehr die Welt. Du kannst stattdessen wieder für viele andere Coach sein oder dich bei den Dingen, die du besonders gut kannst, auch immer wieder aus der Mitarbeiter-Perspektive einbringen, was ich – wie gesagt – sowohl entlastend wie inspirierend finde.
Michael Müller: Alex hat das gerade beschrieben, ihn entlastet das total. Ich habe im Dezember einen Führungskräfte-Workshop gemacht mit Managing-Partnern. Und die sollten dann einfach mal beschreiben, wie die sich selbst als Partner wahrnehmen, welches Bild ihnen da ins Auge fällt. Und da sagte einer: Ja, mit der Fahne voranlaufen. Das heißt, das sind halt Leute, die lieben, genau die Verantwortung für alles zu tragen. Denen fällts dann halt ein bisschen schwieriger. Genau wie vorhin hier jemand sagte, so manch ein Mitarbeiter findet es halt gar nicht toll, dass er jetzt in die Mitverantwortung genommen wird.
Patrick Hacker: Philip, was sind da deine Erfahrungen jetzt aus Headhunter Sicht? Gibt’s da verschiedene Typen?
Philip Müller: Diese Klassifizierung haben wir jetzt nicht unbedingt so. Wir versuchen generell jetzt nicht zu stark da in Schubladen zu denken. Ich glaube, es ist auch immer eine Frage, wie konsequent wird das jetzt gelebt. Ihr bei komm.passion macht das ja sehr sehr konsequent diesen Luxus und diesen Mut. Also den Luxus, das machen zu können und den Mut, das zu tun. Den gibt es ja nicht überall. Auch in der Corporate-Welt ist das ja eher noch die Ausnahme, dass beispielsweise über die Kommunikationsabteilung oder in der IT-Abteilung fängts ja oftmals an, dann flächendeckend gemacht wird. Gibt es – da kenne ich zwei, drei Fälle. Aber das sind auch schon eher so Leuchtturmprojekte – und wenn es halt so Zwischenstufen sind oder so Facetten davon, da muss man darauf gucken: Was spielt das jetzt eine besondere Rolle. Und es ist schon ne Typ-Frage, klar. Aber es gibt jetzt für mich kein klassisches Schema mit fünf Haken hintendran und dann ok du bist agil, los geht’s.
Patrick Hacker: Ist das auch eine Typ Frage für verschiedene Unternehmenstypen, Ralf?
Ralf Schön: Also ich glaube in erster Linie, dass da produzierende Unternehmen nicht dafür geeignet sind, um es mal so zu sagen. Weil, das muss man auch mal sagen, die Wirtschaftswelt besteht ja nicht nur aus Dienstleistungsunternehmen und Werbeagenturen. Meine Erfahrung, sehr stark mit professional Service-Companies, die ich überwiegend berate: Da würd ich mal sagen ist es dann sehr gut geeignet, wenn es nicht in einer sehr hierarchischen Welt herkommt. Ich kenn jetzt leider keine Metastudie, die sowas sowas mal ausgewertet hat, um jetzt mal klar sagen zu können Unternehmenstyp a b c wäre da am besten dafür geeignet. Ich glaube, es hängt immer von den handelnden Personen ab.
Alexander Güttler: Ich glaube aber, dass du am Ende immer irgendjemanden brauchst, der einen dezidierten Willen zur Veränderung hat. Und der hilft auch, diese Wackersteine aus dem Weg zu räumen und die sind bei Leibe nicht nur mittleres Management, sondern die sind auch oft ganz oben. Weil es ist immer jemand, egal wie du‘s drehst, der Macht verliert.
Patrick Hacker: Michael, du coachst ja sehr, sehr viele Führungskräfte – was ist deine Wahrnehmung? Gibt’s da viel Hürden in Köpfen in diesem Umdenken?
Michael Müller: Ja, wenn wir es schwarz-weiß betrachten würden, würde ich sagen 50/50. Also die eine Hälfte findet das ganz grandios, weil es dem wie sie es immer machen wollten, jetzt viel mehr entspricht. Und die anderen 50% sehen es genau andersrum und sagen keine Kontrolle mehr, keine Planbarkeit, ich kann gar kein Fünf-Jahres-Plan mehr machen. In der Realität haben wir da natürlich nicht 50/50 sondern so eine Linie von einen extrem zum anderen Extrem. Insofern glaube ich, dass das für die Unternehmen, wo es wirklich Sinn macht, sich auch auf Sicht durchsetzen wird – aber die Mannschaft muss natürlich dazu passen.
Patrick Hacker: Wie stehen wir da denn im internationalen Vergleich?
Ralf Schön: Also ich hab natürlich nicht den ganzen internationalen Überblick, aber ich hab mich sehr viel in der asiatischen Welt bewegt – auch was Unternehmen anbelangt. Und hier ist etwas ganz Interessantes festzustellen. Obwohl zum Beispiel Japaner – ich hab auch viel mit japanischen Unternehmen zu tun – eigentlich sehr konservativ und sehr hierarchisch sind, haben sie trotzdem Prinzipien, Management Tools im Einsatz, die auf uns wiederum überhaupt nicht machbar sind. Ich will mal ein Beispiel geben. Also zum Beispiel in Japan da gilt die Hierarchie sehr viel. Also wer länger im Unternehmen ist, ist noch viel höherwertiger etc. Auch im privaten: der Respekt vor den Älteren, vor den Weiseren sozusagen. Das ist in der Kultur verankert, aber zum Beispiel Japaner haben ein Mangement-Tool das heißt Qualitätscircle auf Deutsch. Das ist vielleicht einigen auch bekannt. Da setzen sich also Mitarbeiter nach der normalen Arbeit hin und versuchen einzelne, wirklich dezidierte Probleme in Abläufen zu verbessern. Das ist ja in Deutschland unmöglich. Qualitätscircles sind in Deutschland immer wieder gescheitert, weil dieses freiwillig nach der Arbeitszeit – das geht schon mal gar nicht. Das ist in Deutschland wieder ungewöhnlich. Also was ich damit sagen will: Obwohl wir vielleicht etwas weniger hierarchisch sind als die Japaner haben wir von unserem Arbeitsethos oder von unserer Arbeitseinstellung schon mal das Thema, zumindest jetzt auch im angestellten Umfeld: Wieso soll ich diese extra Meile gehen, das mach ich entweder während der Arbeitszeit, wenn das aber nicht geht im Produktions- oder im Ablaufprozess, dann findet es halt gar nicht statt. Die Amerikaner, die immer sehr schnell auf den Punkt kommen beispielsweise, ich hab auch viel mit amerikanischen Läden zu tun, die mögen wieder weniger Struktur. Die sagen ja immer: Ihr Deutschen, Ihr diskutiert so lange das Problem von allen Seiten und dann seid ihr zu spät, habt keinen Lösungsvorschlag. Und die Amerikaner überlegen sich direkt einen Lösungsvorschlag – und bringen den vor, auch wenn der nicht so durchdacht ist.
Tobias Bruse: Wir hatten eben auch von kontinuierlicher Verbesserung gesprochen, kontinuierlicher Weiterentwicklung. Wenn man sowas anstoßen will, dann muss man auch eine Form dafür finden sowas in den Arbeitsalltag einzubauen.
Patrick Hacker: Dann lasst uns doch mal zum Abschluss so ein bisschen in die Glaskugel schauen. Philip, du vielleicht: Wie nimmst du Veränderungen wahr? Also ist das Thema „agiles Arbeiten“ eher etwas, das häufiger, oder zunehmend angefragt wird – auch für die Führungskräfte, die du oder ihr vermittelt? Ist das oder war das ein Hype?
Philip Müller: Ja also zunehmend auf jeden Fall, wenn man von dem Punkt kommt, wo es halt gar nicht nachgefragt wurde – und ich glaube auch, dass das jetzt nicht wieder abflacht. Also das erkenne ich nicht. Es ist aber auch nichts, wo ich jetzt sagen würde, es ist so flächendeckend da.
Patrick Hacker: Wir haben jetzt in der Corona-Zeit in diesem Jahr erlebt, dass agile Systeme den sehr konservativen häufig im Vorteil waren. Was glaubt ihr? Bleibt das?
Alexander Güttler: Man sieht einfach, dass man auf diese Art schneller zu Potte kommt, mehr Menschen empowern kann und am Ende mit denen, die das mögen, sehr viel mehr Spaß gemeinsam haben und Geld verdienen kann.
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